Portugals Fischer in der Existenzkrise: 10 Cent Ertrag pro Kilo reichen kaum noch für den Sprit
Ein Traumjob war der Beruf des Fischers noch nie. Doch selten waren die Verdienstmöglichkeiten so gering wie heute: Explodierende Kosten für Treibstoff und niedrige Verkaufspreise treiben immer mehr portugiesische Fischer in den Ruin. Ein Streik soll zumindest kurzfristig für Abhilfe sorgen – der Abwärts-Trend der Fischereiwirtschaft schreitet jedoch weiter voran.
Kaum ein anderes Lebensmittel ist in Portugal so beliebt wie Peixe, Fisch: Nach Berechnungen des World Resources Institute verspeist jeder Portugiese statistisch gesehen ganze 76 Kilogramm Fisch pro Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Pro Kopf-Konsum bei gerade einmal 15 Kilogramm.
Bei so viel Begeisterung für die Früchte des Meeres müssten die portugiesischen Fischer eigentlich gut über die Runden kommen – sollte man meinen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Selten zuvor waren die portugiesischen Fischer derart von Existenzängsten bedroht wie heute. Explodierende Spritkosten - im Vergleich zu 2006 kostet der Diesel für die Fischerboote heute 240 Prozent mehr - sowie die weiterhin niedrigen Abnahmepreise bringen die 21.000 Fischer des Landes derzeit in arge Bedrängnis.
Ein Fischen im Trüben? Die Zukunft der portugiesischen Fischer ist ungewiss. Das Bild ist eine Aufnahme aus der Ria de Aveiro. Foto: Eigene Aufnahme
Die akute Krise, wegen der Tausende portugiesische Fischer auch in Streik gegangen sind, ist nur ein weiterer Wegespunkt im Niedergang eines ganzen Berufsstandes. Noch 1990 verdienten 40.000 Menschen in Portugal ihr Geld als Fischer – heute ist es nur die Hälfte. Tendenz: Weiter fallend, da kaum noch ein junger Mensch die harte und ertragsschwache Arbeit annehmen möchte. Das Durchschnittsalter der Fischer beträgt mittlerweile recht hohe 42 Jahre.
Dabei verfügt Portugal, zumindest auf dem Papier, über eine recht ansehnliche Fischereiflotte. 8.666 Fischerboote verschiedener Typen sind – laut EU – in Portugal registriert – mehr etwa als im wesentlich größeren Frankreich (7.586). Doch diese Zahl sagt nur die eine Hälfte der Wahrheit: Die Fangmengen liegen in Frankreich doppelt so hoch wie in Portugal. Anders ausgedrückt: Noch immer wird der Großteil der portugiesischen Kutter von ein oder zwei Personen betrieben – Mini-Betriebe, die dem Preisdruck des Großhandels wenig entgegensetzen können.
Der Gewinn liegt bei den Zwischenhändlern
Und dieser Druck ist enorm. Morgen für Morgen laufen in den Fischereimärkten der größeren Häfen wie Peniche, Matosinhos und Olhão gnadenlose Fischereiauktionen, in denen Einkäufer für die großen Supermarkt sowie nicht minder kapitalstarke Zwischenhändler ihre Gebote für den Fang des Tages abgeben. Per Knopfdruck kaufen diese Herren des Fischs die Ware, und selten springt für die Fischer ein guter Preis raus: Rund 1,50 Euro erhalten sie bestensfalls für ein Kilo Sardinen, den mit 37 Prozent der Fangmengen wichtigsten und typischsten Fisch für Portugal – ein Fisch, der später in den Markthallen der großen Städte zwischen 5 und 7 Euro kosten wird.
Für Ware schlechterer Qualität kann es noch übler ausgehen: Für viele Fänge würden etwa in Portimão an der Algarve Preise zwischen zehn und 20 Cent pro Kilo bezahlt, berichtete kürzlich António Teixeira von der Fischervereinigung der Algarve im Diário de Notícias. Bei diesen Preisen sei es kein Wunder, dass mittlerweile 60 Prozent der Erträge von den Spritkosten aufgefressen würden, so Teixeira im Interview.
Dem Preiskampf haben die Fischer wenig entgegenzusetzen: Sie sehen sich neben ihrer geringen Marktmacht auch dem Konkurrenzdruck von günstigerer Importware ausgesetzt, die dank größerer Schiffe und weniger Personal deutlich höhere Ertragsmengen erzielt. Während die portugiesischen Fischexporte seit vielen Jahrzehnten praktisch stagnieren, sind die Importmengen sprunghaft angestiegen und haben sich seit 1980 fast verzehnfacht. Längst ist Portugal zum Fisch-Importland geworden – nicht zuletzt das Nationalgericht Stockfisch, der – als Kabeljau – fast komplett in norwegischen Gewässern gefangen wird.
Ob frisch oder in der Dose: Die Sardine ist Portugals Lieblingsfisch. Das Bild zeigt einen gut sortierten Laden in Lissabon. Foto: red batty black auf Flickr
Der Abwärtstrend dürfte also auch in Zukunft anhalten – und viele der traditionellen, farbenfroh bemalten Fischerboote könnten bald nur noch als Touristenattraktion dienen. Eine Entwicklung, die durchaus zu bedauern wäre. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen: Immerhin hängen nach Berechnungen der Europäischen Union noch immer fünf Prozent der Arbeitsplätze an der Algarve direkt oder indirekt von der Fischerei ab.
Der Fischer und sein Handwerk gehören seit Jahrhunderten fest ins Gesellschaftsbild Portugals. 1923 setzte der Schriftsteller Raul Brandão mit seinem Roman “Die Fischer” diesem Berufsstand sogar ein literarisches Denkmal.
In seinem reportageähnlichen Roman reist Brandão durch Portugal und beobachtet dabei die Fischer der verschiedenen Regionen: Dies immer mit großer Zuneigung, aber auch schon damals von der Melancholie der sinkenden Bedeutung des Fischerberufs verbunden. Brandão beschreibt Techniken, er erzählt von den Menschen auf ihnen und den Familien, die an der Küste warten. “Die Kaps, die aus Eisen sind und vor Blut triefen”, so schließt Brandão seine Erzählungen, “weisen diesem Land der Fischer beharrlich seine schmerzliche Bestimmung.”
Keine Sardinen bei Sankt Antonius?
Ein Traumjob war der Fischerberuf wirklich nie. Mittlerweile kann er aber noch nicht einmal mehr seinen Sprit bezahlen. Immerhin, der Streik scheint bereits erste Erfolge zu verzeichnen. Die Preise für Fisch steigen – zumindest kurzfristig -, Spanien, Portugal und Frankreich planen konzertierte Maßnahmen. Leiden müssen derzeit die fischverliebten Portugiesen: Sie müssen immer häufiger auf importierten Fisch zurückgreifen – und fürchten für die anstehenden Volksfeste zur St. Antonius-Nacht in Lissabon schlimmes: Dort könnten, so düstere Prophezeiungen des Diário Económico, tatsächlich der Fisch zur Neige gehen.
Nachtrag. Am 04. Juni einigten sich die Fischer und die portugiesische Regierung auf ein Ende des Streiks. Als Gegenleistung sagte die Regierung in Lissabon Steuererleichterungen und eine intensivere Vertretung der Interessen des Berufsstands vor der EU in Brüssel zu. Damit dürfte der Fisch-Nachschub für die Volksfeste in Lissabon gesichert sein… Zur Meldung bei Yahoo
Juni 2nd, 2008 um 11:19 pm
Hallo Gilbert,
vielen Dank für diesen fundierten Bericht!
Viele Grüße aus Lissabon,
Susanne
Juni 3rd, 2008 um 7:38 am
Moin,
da kann man ja nur hoffen, das wir im Juli in der Marina da Lagos trotzdem gut versorgt werden. Bin gespannt, ob das auf die Preise durchschlägt. Vamos ver.
Und Susannes Aussage schließe ich mich an!
Viele Grüße aus Berlin
Rainer
September 17th, 2008 um 3:53 pm
ich also auch
*hihi*
Januar 17th, 2010 um 8:13 pm
Danke für den Bericht.
Diese Entwicklung ist auch in dem kleinen Orten wie Carrapateira bemerkbar. Früher kam mittags immer der Fischer mit frischem Fang ins Dorf; mittlerweile ist die See überfischt und für den Fischer lohnt sich´s kaum noch.