Expo98, zehn Jahre danach: Ein “Ghetto” auf der Suche nach Anschluss
Vor zehn Jahren eröffnete in Lissabon die Weltausstellung Expo98. Es war ein Ereignis der Superlative: Während der 132 Expo-Tage strömten über zehn Millionen Menschen zu der mit Milliardenaufwand hochgezogenen Weltausstellung im Nordosten Lissabons. Und heute? Noch immer zehrt das Expo-Gelände vom alten Glanz – und sucht dennoch seine Rolle in der Stadt.
Acht Kilometer trennen das alte und das neue Lissabon. Das alte Lissabon, das ist Belém: Der historische Stadtteil mit prunkvollen manuelinischen Klosteranlagen, von dem aus die Seefahrer in unentdeckte Welten aufbrachen und Portugal zu einer – längst untergegangenen – Größe führten.
Hier, vor dieser historischen Kulisse, versuchte Diktator António Salazar im Jahr 1940, eine Huldigung an das Portugiesentum zu veranstalten: Mit der Ausstellung “Exposição do Mundo Português”, die “Ausstellung der portugiesischen Welt”. Doch so wenig, wie vom portugiesischen Imperium übrig blieb, so kümmerlich sind auch die Reste dieser recht eingeschränkten “Weltausstellung”: Von den alten Ausstellungshallen ist kaum etwas übrig geblieben – und selbst diese Bauten, wie etwa das Museu de Arte Popular, sind stets latent vom Abriss bedroht.
Wie anders sieht das hypermoderne Lissabon aus, das sich acht Kilometer weiter flussaufwärts befindet: Wo über Jahrzehnte ein brachliegendes und ökologisch verwüstetes Industriegelände vor sich hingammelte, öffneten sich am 22. Mai 1998 die Tore zur Expo98. Ein Gelände, in dem alles neu war: Großzügig, weltoffen, glitzernd. Eine tatsächliche Weltausstellung, mit der Portugal sich selbst und der Welt versichern konnte, in der Globalisierung angekommen zu sein.
Zwei Weltausstellungen, zwei Ideen: Links der Führer der “portugiesischen Ausstellung” in Belém aus dem Jahr 1940 (Quelle: Wikipedia), rechts Gil, das muntere Maskottchen der Expo98 (Quelle: Wikipedia).
Genau zehn Jahre ist es nun also her, dass die “Expo98 als Zündschnur für das Selbstbewusstsein der Portugiesen” diente, wie die Journalistin Mario Lopes kürzlich in der Wochenzeitung “Sexta” schrieb. Kaum jemand hätte damals für möglich gehalten, dass Portugal ein solches Mega-Ereignis schultern könnte: Innerhalb weniger Jahre wurden auf dem 70 Hektar großen Expo-Areal architektonisch anspruchsvolle Gebäude und Pavillions hochgezogen. Ein ganz neues Stadtviertel entstand, das heute den Namen “Parque das Nações” trägt.
Mehr als zehn Millionen Menschen zahlten Eintrittspreise von umgerechnet 25 Euro, um an den 132 Expo98-Tagen mit dabei zu sein. Und die Expo98 wirkt noch weiter: Viele Attraktionen der damaligen Weltausstellung dienen bis heute als Publikumsmagnet. Allen voran das Ozeanarium von Lissabon, das zweitgrößte Meerwasseraquarium der Welt.
Aber auch in anderen Ecken der alten Expo blüht das Leben: Restaurants und Clubs ziehen die Nachtschwärmer an, das Casino von Lissabon hat hier Quartier bezogen, ebenso wie das Camões-Theater und die Ballett-Kompagnie der Stadt. Und nicht nur das: In den umliegenden Wohnblocks leben mittlerweile mehr als 20.000 Menschen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich dort, wo einst kein Leben mehr möglich schien, tatsächlich ein ganz neues Stadtviertel etabliert.
Und doch: So vielversprechend die Zündschnur der Expo98 auch funkelte – das große und erhoffte Feuerwerk ist bislang ausgeblieben. Noch immer liegt im Dunkeln, ob sich die geschätzten Kosten von 1,8 Milliarden Euro wieder eingespielt haben. Und auch städtebaulich hat der Parque das Nações bislang seinen Platz in Lissabon nicht so recht gefunden: Er ist weiterhin eine Stadt in der Stadt – ein “Ghetto”, wie kürzlich selbst der für die Expo-Bauten verantwortliche Chef-Planer Manuel Salgado im “Expresso” einräumte. Ist diese Insel aus Shopping, Entertainment und teuren Wohnanlagen wirklich der Entwicklungspol, der Lissabon den Weg in die Zukunft weisen sollte? Oder ist der Parque das Nações einfach ein Stadtviertel unter vielen?
Eine neue Welt im Nordosten Lissabons: Der Parque das Nações, das ehemalige Expo-Gelände. Foto: Ivo Gomes auf Flickr
Nüchtern betrachtet ist der Parque das Nações heute ein Gelände, das von einem Privatunternehmen gemanagt wird und das für Sauberkeit und Serviceleistungen sorgt. Eine Gegend, in der die Wohnungspreise überdurchschnittlich hoch liegen – und das als “chic” gilt. Ein Areal, das sich vielleicht auch aus diesem Grund fast mutwillig von den umgrenzenden Stadtvierteln abgrenzt.
Und das hat auch seinen Grund: Denn rings um das Expo-Gelände liegen Gegenden von Lissabon, die nicht so recht ins Bild des wohlhabenden und modernen Portugal passen wollen: In angrenzenden Siedlungen wie Chelas oder Marvila leben mehr als zwei Drittel der Einwohner in den grauen, gesichtslosen Hochhausblocks des sozialen Wohnungsbaus. Die Kriminalitätsrate, vor allem getrieben durch Jugendbanden, ist hoch, die Perspektiven für die Einwohner sind niedrig.
Zwei Welten, zwei Lissabons: Auch die Stadtverwaltung von Lissabon hat längst erkannt, dass der Parque das Nações besser an den Rest der Stadt angekoppelt werden muss. Vor allem die Uferlinie des Tejo soll hier wiederum einmal als “Zündschnur” dienen: Entlang des fünf Kilometer langen Saums von Expo bis Innenstadt, heute vielfach ungenutztes Industrie- und Hafengelände, möchte die Stadtverwaltung viele neue Bauten entwickeln und so eine Brücke zwischen altem und neuem Lissabon schaffen.
Plano de Urbanização da Zona Oriental de Lisboa, kurz PUZRO, heißt der Plan, mit dem sich Lissabon den Nordosten der Stadt neu erschließen will. Ein Plan, der schon lange mit den Fallstricken von Bürokratie und wirtschaftlichen Interessen kämpft: Denn neben vielen noch offenen Finanzierungsfragen sorgen auch ungeklärte Zuständigkeiten – etwa von Seiten der notorisch unberechenbaren und machtbewussten Hafenverwaltung Lissabons – immer wieder für Streit.
Immerhin, zwei Punkte des PUZRO gelten mittlerweile als sicher: Südlich angrenzend zum Expo-Gelände wird wohl eine weitere Anlage mit Luxus-Appartments hochgezogen. Die sich aus dem Kauf ergebenen Kompensationsflächen rund um die ehemaligen Gasbehälter von Marvila wird dann eine neue, 11.000 Quadratmeter große Kathedrale von Lissabon einnehmen.
Luxus und Glaube, Armut und Shopping: Ob sich das alles so vertragen wird? Skepsis ist angebracht. Viel interessanter sind ohnehin die Entwicklungen, die sich ganz ohne öffentliche Intervention rund um den Parque das Nações ergeben haben. Zum Beispiel die “Fábrica Braço de Prata“: Dieses Kulturzentrum entstand vor einigen Jahren in den Räumen einer alten Munitionsfabrik – und war eher der Initiative von zwei Buchhandlungen zu verdanken als dem Einsatz von Politikern. Heute gilt die Fábrica als einer der interessantesten und lebendigsten Orte der Kultur in der Hauptstadt.
Schön anzusehen, aber ohne Funktion: Pavilhão de Portugal. Foto: Athila Armstrong auf Flickr
Während im unkonventionell entstandenen Braço de Prata die Improvisation regiert und das Leben pulsiert, kämpft das offizielle Expo-Gelände an vielen Stellen mit Leerstand. Völlig unklar ist beispielsweise das Schicksal des architektonisch interessanten, von Álvaro Siza Vieira errichteten “Pavilhão de Portugal“. Das Gebäude mit seiner faszinierend geschwungenen Betondecke steht seit Jahren leer – eine sinnvolle Nutzung ist nicht in Sicht. Auch für ein weiteres Wahrzeichen der ehemaligen Expo98, dem Torre Vasco da Gama, wird weiterhin nach Verwendungsmöglichkeiten gesucht: Bisherige Ideen, hier ein Hotel unterzubringen, haben sich immer wieder zerschlagen.
Doch Chefplaner Manuel Salgado sieht diese Probleme eher gelassen: Die Expo-Gebäude seien schließlich für eine Lebenszeit von 100, 200 oder 300 Jahren projektiert worden. Sie könnten also sofort wieder in Betrieb genommen werden. Und in der Tat: Dass sich ganze Stadtteile neu erfinden können, dafür ist der Parque das Nações lebender Beweis.
Und so überwiegen in der einhelligen Meinung von Medien und Fachleuten eher die positiven Wirkungen der Expo98. Und das erste Jahrzehnt des neuen Lebens im Lissaboner Nordosten soll dieses Jahr auch einmal gebührend gefeiert werden: Mit dem im August stattfindenden Festival dos Oceanos (Festival der Ozeane), das nochmals an das alte Motto der Expo98 erinnert, die sich damals schwerpunktmäßig dem Schutz der Weltmeere widmete.
Konferenzen, Konzerte, Ausstellungen und weitere Straßenveranstaltungen sollen sich wie zu den bereits nostalgisch verklärten Expo-Zeiten dem Thema “Meere” annähern. Viele der Aktionen werden dabei im Parque das Nações stattfinden – aber längst nicht alle: Zu den Veranstaltungsorten gehört auch Belém, wo unter anderem die Museen eine Woche lang bis Mitternacht geöffnet haben werden.
Ein Info-Bus mit Animationen und Unterhaltung wird dann auch Tag für Tag am Tejoufer von Belém bis zum Parque das Nações entlang pendeln – und so schon einmal eine erste Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Lissabon schaffen. Weitere müssen folgen.
Mai 23rd, 2008 um 6:42 am
ola muito bom o teu site.
hallo,viel schone deine site,und nichts vergessen immer weiter Portugal
um abraço tuga
Juni 11th, 2008 um 12:51 pm
[...] Na dazu passt doch der folgende Artikel aus – na klar – portugalmania.de vom 18.Mai. Expo98 Lissabon: Der Parque das Na